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Krankenhausreform: Kleine und mittlere Kliniken in Sorge

cmk/aerzteblatt.de, 26.10.2023

Berlin – Kleinere und mittlere Kliniken sorgen sich vor der geplanten Krankenhausreform. Das betonte Thomas Lemke, Vorstandvorsitzender der Sana Kliniken AG und Vizepräsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), gestern auf einem Expertenforum der Unternehmensberatung RS Medical Consult.

Universitäts­kliniken und kommunale Großkliniken fühlten sich bei den Reformideen hingegen gut abgeholt und seien, unabhängig von den eingeführten Maßnahmen, der Überzeugung am Netz zu bleiben.

In vielen Krankenhäusern gehe es gerade aber um das „nackte Überleben“, so Lemke. Die Liquiditätssicherung sei derzeit das wichtigste Thema in den Kliniken. Er bekräftigte damit die Forderung nach kurzfristigen finan­ziellen Hilfen, die die Krankenhäuser schon seit längerem einfordern.

Lemke sieht zudem die geplante Standortkonzentration kritisch. Gesundheitspersonal lasse sich nicht einfach umverteilen. Es verlasse lieber das System als jeden Tag viele Kilometer zu fahren, sagte er.

Außerdem warnte er vor einer möglichen Rationierung von Gesundheitsleistungen. Mit dem geplanten Trans­parenzverzeichnis und der Einteilung von Kliniken in Level würden Patientinnen und Patienten auch mit klei­neren Eingriffen zu großen Kliniken gehen, prognostizierte Lemke. So würden die ohnehin schon knappen Ressourcen in den großen Kliniken weiter belastet werden.

Er fürchtet zudem eine „zentralistische Einordnung“ der Leistung in Leistungsgruppen und eine schleichende Einführung der Selbstkostendeckung, die zu einer Verknappung des Angebots führen werde. Damit sei der Weg in eine staatlich gelenkte Medizin vorgezeichnet, so Lemke. Stattdessen brauche es ein ganzheitliches auf Anreizen basierendes System, das den Patienten im Blick hat.

Übergangsfinanzierung und Aufhebung der Sektorengrenzen gefordert

Konkret forderte Lemke einen Transformationsfonds und eine stärkere Aufhebung der Sektorengrenzen im Zuge der Krankenhausreform. Die doppelte Facharztschiene könne sich Deutschland insbesondere im Hinblick auf den demografischen Wandel nicht mehr leisten, erklärte Lemke.

80 Prozent der jüngeren Ärztinnen und Ärzte, die in den Sana Kliniken arbeiteten, wollen seinen Angaben zu­folge nur noch im Angestelltenverhältnis arbeiten und nicht unternehmerisch tätig werden, sprich eine eigene Praxis aufmachen. Außerdem befürwortet er mehr Bürokratieentlastung sowie eine Konvergenzphase.

Hinsichtlich einer besseren Qualität, die im Zuge der Reform erreicht werden soll, müssten im Bereich der Inne­ren Medizin alle Schwerpunkte stärker berücksichtigt werden, betonte der Internist Dirk Müller-Wieland und Vor­sitzender der Kommission der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) „Struktur der Kranken­versorgung“. Das gelte auch für die Weiterbildung, so Müller-Wieland.

Außerdem sei es wichtig, die Qualitätsstandards der Fachgesellschaften bei der Erarbeitung der Leistungs­gruppen miteinzubeziehen. Entsprechende Qualitätssiegel und Zentren müssten ebenfalls mitgedacht werden. Diese Informationen sollten zudem patientenverständlich zugänglich gemacht werden.

Müller-Wieland äußerte sich hingegen kritisch bei der Frage der Zuordnung aller diagnosebezogenen Fallpau­schalen zu den Leistungsgruppen. Dies sei medizinisch nicht sinnvoll, so Müller-Wieland. Durch eine Profilbil­dung könnten aber differenzierende und qualitätsorientierende Kriterien künftig stärker umgesetzt werden. Außerdem pochte er auf eine Vernetzung vor Ort und den Ausbau der Digitalisierung im Gesundheitswesen.

Hinsichtlich der Digitalisierung fehle es allerdings an einer Gesamtstrategie, beklagte Kurt Marquardt, Ko­ordinator für wissenschaftliche IT-Projekte des Universitätsklinikums Gießen und Marburg. Prinzipiell gut gemeinte Gesetze hätten in den vergangenen Jahren lediglich Insellösungen gebracht, so Marquardt.

Es fehle an einem Umsetzungsplan, der die Abhängigkeit und Priorisierungen zwischen den einzelnen Zielen abbildet, bemängelte er. Zudem könnten insbesondere kleine Krankenhäuser mit überschaubaren IT-Abtei­lungen von rund vier bis sechs Personen die Flut von aktiven und zurückliegenden Gesetzen kaum bewältigen, sagte Marquardt weiter.

Es brauche zwar verstärkt Interoperabilität, um verschiedene Lösungen miteinander zu verbinden. Allerdings sei es hochkomplex, interoperable Standards (Fast Healthcare Interoperability Resources, FHIR) im Krankenhaus zu erstellen, so Marquardt. „Kleinere und mittlere Krankenhäuser stehen da im Regen“.

Er sorgt sich diesbezüglich vor geplanten Sanktionierungen von 1,5 bis zwei Prozent des stationären Budgets, sollten Kliniken bestimmte Digitalprojekte bis Ende 2027 noch nicht umgesetzt haben. Zu den Projekten gehören etwa die Entwicklung eines Patientenportals oder eines digitalen Medikationsmanagements.

 

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