sektorenübergreifende Versorgung

  • Bekommen die Krankenhäuser einen „Schutzzaun“?

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    Forum zur Ambulantisierung:

    Bekommen die Krankenhäuser einen „Schutzzaun“?

    am, änd Ärztenachrichtendienst Verlags-AG, 06.07.2022

    Niedergelassene Ärzte könnten bei Hybrid-DRG zunächst außen vor bleiben. Das zeichnete sich beim Expertenforum Ambulantisierung am Mittwoch in Berlin als Mehrheitsmeinung ab.

    Einhellig vertraten die Referenten am Vormittag die Auffassung, dass die Ambulantisierung in mehreren Stufen erfolgen müsse. Der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Dr. Gerald Gaß forderte, dass bestimmte neue ambulante Leistungen für einen ersten Übergangszeitraum Krankenhäusern vorbehalten bleiben sollten. Das sei nicht aus Versorgungsgründen nötig, sondern um den Wandel der Krankenhauslandschaft zu gestalten. „Wenn die Politik und die Krankenkassen diesen Weg gehen, dann ist das die Chance zu einer geordneten Weiterentwicklung unseres Systems“, sagte er bei der Tagung „Ambulantisierung“ von RS Medical Consult.

    Bund und Länder müssten sich auf gemeinsame Ziele verständigen und grundsätzliche Orientierungvorgaben vorlegen, forderte Gaß. Bei den neuen ambulanten Leistungen, die mit Hybrid-DRGs vergütet werden könnten, erwartet er einen großen Wettbewerb mit gut ausgestatteten Praxiskliniken. „Aber ich werbe dafür, den Krankenhäusern die Chance zu geben, sich in diesem Bereich aufzustellen und nicht von vornherein den Wettbewerb zu eröffnen“, sagte er. Krankenhäuser könnten nicht mit der gleichen Effizienz ambulante Versorgung leisten wie die Niedergelassenen. Deswegen bräuchten sie Zeit, um ihre Chancen zu entwickeln. Nötig sei zudem ein Investitionsprogramm dafür, das Krankenhäuser diesen klinisch-ambulanten Leistungsbereich aufbauen. Der DKG-Chef unterstrich: „Wir haben überhaupt kein Interesse daran, den niedergelassenen Ärzten ihre Patienten abzuwerben.“

    Hecken vermisst „planvolles Regierungshandeln

    Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) Professor Josef Hecken unterstützte Gaß‘ Forderungen. Er plädierte dafür, „jetzt nicht alles in Praxiskliniken zu machen, sondern einen geordneten Übergangsprozess in Gang zu setzen“. Zu diskutieren sei, wie lange der Schutzzaun für die Krankenhäuser gelten könne.

    Bislang werde Krankenhausplanung in Deutschland völlig irrational diskutiert, sagte Hecken. Scharfe Kritik übte er an der Regierungskommission für die Krankenhausreform. „Was da am Ende des Tages herauskommt, wissen wir wahrscheinlich alle“, sagte er. Es gebe kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsdefizit.

    „Planvolles Regierungshandeln zeichnet im Moment die Politik nicht aus“, so Hecken später, wobei er betonte, dass er das parteiunabhängig meine. Nötig sei ein abgestimmtes Handeln zwischen Bund und Ländern. Die beste Möglichkeit die Länder mitzunehmen sei, Bundesmittel in die Hand zu nehmen und sie an bestimmte Bedingungen zu knüpfen, so der G-BA-Chef. Entscheidend für die nächsten Schritte in der Ambulantisierung ist aus Heckens Sicht, wie man die Hybrid-DRGs definiert. „Wir sind alle für Hybrid-DRGs, nur jeder hat eine andere Vorstellung“, sagte Hecken. Das Ergebnis dieser babylonischen Sprachverwirrung sei aus dem Geschichtsunterricht bekannt.

    Albrecht: IGES-Vorschlag schafft kein Bürokratiemonster

    Die Autoren des IGES-Gutachtens zum neuen AOP-Katalog, Dr. Martin Albrecht und Professor Thomas Mansky, verwiesen darauf, dass im europäischen Ausland Ambulantisierung als krankenhausinterner Prozess verstanden werde. Die im Gutachten vorgeschlagenen neuen ambulanten Leistungen, die bisher mit DRG abgebildet wurden, seien vor allem fallzahlstarke DRGs ohne medizinisch dominante Prozedur, etwa zur Abklärung von Notfällen, erläuterte Albrecht. „Das kann man nicht allein mit dem AOP-Katalog lösen“, sagte er unter Verweis auf die ebenfalls anstehende Notfallreform.

    Der neue AOP-Katalog sei als lernendes System gedacht. „Deswegen empfehlen wir eine stufenweise Umsetzung, wo die Fachgesellschaften noch einmal zu Wort kommen können und wo wir datenbasiert weiterentwickeln können.“ Den Vorwurf, dass die Fachgesellschaften Ambulantisierung grundsätzlich ablehnen würden, könne er nicht bestätigen.

    Albrecht trat auch dem Vorwurf entgegen, dass der Vorschlag zur kontextabhängigen Entscheidung über ambulante oder stationäre Leistungserbringung bei bisherigen DRG-Leistungen ein Bürokratiemonster mit fallindividueller Prüfung schaffe. „Das sehen wir nicht so. Die nötigen Daten sind alle in der Standarddokumentation vorgesehen“, sagte er. Die Lösung soll „eine umfassende Ambulantisierung bei gleichzeitiger Wahrung der Patientensicherheit“ ermöglichen.

    Mansky hält klinikinterne Ambulantisierung für einfacher

    Co-Autor Mansky unterstrich, dass der internationale Vergleich im Rahmen des IGES-Gutachtens Vorteile für eine rein krankenhausinterne Ambulantisierung ergeben habe. „Eine rein krankenhausinterne Ambulantisierung wäre viel einfacher, als sie es nach den gesetzlichen Vorgaben ist“, sagte er. Wenn anfangs für eine ambulante Behandlung die gleiche Vergütung wie für eine stationäre Behandlung vorgesehen sei, könnten die Frontrunner zunächst Gewinne erwirtschaften, sagte Mansky. Eine Kontextprüfung um unnötige stationäre Fälle auszuschließen sei dann auch nicht nötig.

    Klinikintern erfolge Ambulantisierung in Österreich, Dänemark und Großbritannien. Die externe Ambulantisierung in den USA hat nach Manskys Schilderungen zahlreiche Nachteile. Das System sei dadurch nicht billiger geworden. Bei Wachstumsraten von sieben Prozent pro Jahr im Bereich der Ambulatory Surgery Centers (ASC) sei zudem „klar, dass da Investoren Interesse entwickeln“. Mansky prognostizierte: „Es wird daher in Deutschland vorerst bei der Zwangsambulantisierung bleiben.“

    Zwei Anforderungen müsse der Prozess erfüllen: „Rosinenpickerei muss sich vermeiden lassen und erfassbare Kriterien für stationäre Notwendigkeit müssen enthalten sein“. Dabei entkräftete Mansky jedoch den Vorwurf, rentable Praxiskliniken würden sich die lukrative Fälle herauspicken: „Arztpraxen sind teilweise einfach besser organisiert und besser ausgelastet. Das ist nicht alles Rosinenpicken“, sagte er.

    Augurzky fordert drei Stufen für „komplex-ambulante DRGs“

    Während das IGES-Gutachten die Vergütung ausdrücklich und auftragsgemäß ausklammert, stellte Professor Boris Augurzky, Autor des Krankenhaus Rating Reports, einen Vorschlag zur Gestaltung „ambulantkomplexer DRGs“ vor. „Das Vergütungssystem ist das A und O“, sagte er. Der EBM allein sei keine Lösung. „Denn selbst die Niedergelassenen sagen, dass manche Leistungen im EBM nicht ausreichend bezahlt sind.“

    Augurzkys Modell sieht drei Stufen zwischen ambulantem EBM und stationärer DRG vor, die an verschiedene Voraussetzungen bei Infrastruktur und Personal geknüpft sind. Das InEK hat im Bereich der Gastroenterologie drei dieser komplex-ambulanten DRGs kalkuliert. Augurzkys Vergütungsmodell sieht vor, dass die Differenz zwischen dem DRG-Entgelt für Ein-Tages-Fälle und der Neukalkulation im ersten Jahr zu 125 Prozent erstattet wird, um Anreize zu setzen. Anschließend soll die Erstattung in einer fünfjährigen Konvergenzphase abgebaut werden.

    GKV will Hybrid-DRGs nur für ehemalige Krankenhausfälle

    Nach den Vorstellungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sollen Hybrid-DRG für bislang rein stationäre Leistungen gelten, die Krankenhausstrukturen oder vergleichbare vertragsärztliche Leistungen erfordern. Im Unterschied zu den Leistungen des AOP-Katalogs sollten sie vornehmlich von Krankenhäusern erbracht werden, forderte Johannes Wolff, Referatsleiter Krankenhausvergütung im GKV-Spitzenverband. Diese Hybrid-DRG kommen Wolff zufolge vor allem für Leistungen infrage, bei denen die Kurzliegerfälle im Krankenhaus die Regelfälle sind. Das sind nach seinen Angaben fast zwei Millionen Fälle. Ein Teil davon sei heute schon im AOP-Katalog abgebildet. Ein großer Teil aber nicht. Diese seien meist notfallnah. „Die Ambulantisierung dieser Leistungen muss als Prozess erfolgen“, sagte Wolff. Alle Fälle unter drei Tagen könnten in den Bereich der Hybrid-DRG fallen.

    Auch die Krankenkassen sind sich jedoch bewusst, dass der Prozess nicht in Gang kommt, solange positive Anreize fehlen. „Es mangelt nicht an Möglichkeiten. Es hilft auch nichts, dass wir den Katalog größer machen“, sagte Wolff. Auch Sanktionen allein würden nichts bewirken. Was noch fehle sei der Mechanismus. „Eine pauschale Vergütung belohnt ambulante Leistungserbringung.“

     

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